Petition deutsch

Ischa KITAstrophe! Mit dem Bobbycar voll gegen die Wand

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bovenschulte, sehr geehrte Damen und Herren der Bürgerschaft, sehr geehrte Frau Senatorin Aulepp!

„Mit dem Bobbycar voll gegen die Wand“ – genau das haben Sie als Verantwortliche für den Bereich Bildungspolitik in Bremen in den letzten Jahren erreicht.
Die Leidtragenden sind unsere Kinder, sind wir Eltern und sind die Bremer Erzieher*innen.

Ja, in den vergangenen Jahren ist viel passiert im Bereich der frühkindlichen Bildung. Ja, wir wissen, dass Sie rund 5.000 neue Plätze für Kinder geschaffen haben. Wir Eltern erleben hingegen jeden Tag: Das ist bei weitem nicht genug.
Trotz des massiven Ausbauens fehlen laut Bertelsmann Stiftung allein im kommenden Jahr in der Stadt Bremen immer noch rund 5.400 Plätze. Es ist erschreckend, dass Sie – in den verantwortlichen Stellen – es offensichtlich nicht schaffen, den bundesgesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf einen Platz für Kinder ab 1 Jahr in einer Kindertagesbetreuung in Bremen zu gewährleisten.
(https://www.laendermonitor.de/fileadmin/files/laendermonitor/laenderprofile/2022/HB_Laenderprofil_2022.pdf )
So steht die Realität im krassen Widerspruch zu den hehren Zielen, die Sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Besonders die SPD warb in ihrem Wahlprogramm mit verbesserten Bedingungen in den Kitas: Von 100 Prozent Versorgungsquote bei den 3 bis 6-Jährigen war die Rede, von 70 Prozent bei den U3-Jährigen. Dennoch weist Bremen im Bundesvergleich mit 16,8 Prozent die zweithöchste Betreuungslücke im U3-Bereich auf. Bei den Kindern über 3 Jahren umfasst die Lücke 9,4 Prozent. Das ist ein bildungspolitisches Armutszeugnis.
(https://www.spd-land-bremen.de/Binaries/Binary_5937/SPD-Zukunftsprogramm-public-online.pdf)

Wir erachten diesen Zustand als unhaltbar und fordern Sie auf – endlich – langfristig zu denken und zu handeln. Landauf landab verweisen wissenschaftliche Studien auf die Bedeutung der frühkindlichen Erziehung und ebenso auf die Auswirkungen einer Politik, die den daraus resultierenden Anforderungen nicht gerecht wird. Der frühe Zugang zu guter Bildung und bildungsfördernden Lebenswelten beeinflusst die individuelle Biographie maßgeblich. Teilhabe, Chancengleichheit und Entwicklungsmöglichkeiten sind jedem einzelnen Kind zu gewähren. Und zwar unabhängig vom familiären Umfeld!
Die derzeitige Praxis ist weit davon entfernt: Kinder werden nur noch aufbewahrt, frühkindliche Förderung ist kaum mehr umsetzbar, die gesamte Alltagsroutine leidet. Das eigentliche „Normalprogramm“ wie Morgenkreis, gemeinsames Musizieren, Sport oder Ausflüge ist in den letzten Jahren zum „Sonderprogramm“ geworden. Das kann so nicht weitergehen!

Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass wir hier NICHT die Leistung der Mitarbeiter*innen in den diversen Kitas in Bremen an den Pranger stellen. Sie sind es, die der Misere tagtäglich die Stirn bieten, die den Alltag irgendwie am Laufen halten, die seit langem jenseits der eigenen Belastungsgrenzen arbeiten, um den Ansprüchen unserer Kinder gerecht zu werden. Sie sind es, die Ihre Fehlentscheidungen und Ihre leeren Versprechungen tagtäglich ausbaden.

Natürlich kann niemand von heute auf morgen neue Fachkräfte aus dem Hut zaubern, natürlich müssen neue Räumlichkeiten für Kitas erschlossen, bzw. erst gebaut werden und das Bedarf langjähriger Planung – aber wieso ist das nicht bereits vor Jahren passiert? Wieso lassen Sie das Bobbycar, auf dem unsere Kinder sitzen, ungebremst gegen die Wand fahren?
Die gesellschaftspolitische Herausforderung besteht darin, den quantitativen Ausbau von Bildungs- und Betreuungsangeboten voranzutreiben und gleichzeitig die Qualität der pädagogischen Praxis weiterzuentwickeln und zu sichern: das ist Ihre Aufgabe gewesen, das ist sie heute und das bleibt sie zukünftig!

Darüber hinaus muss Kinderbetreuung ebenso im Kontext des Fachkräftemangels in jeglichen Berufsgruppen betrachtet werden: Spätestens seit den Sommerferien 2022 ähneln Betreuungszusagen in Bremen mehr und mehr einem Lotteriespiel. Oft werden Öffnungs- und Betreuungszeiten kurzfristig reduziert, meist gibt es erst morgens eine kurze E-Mail mit dem Hinweis: „heute nur bis 14 Uhr, anstelle von 16 Uhr“ – und über so eine eigentlich schlechte Nachricht freut man sich noch, da ja dann immerhin bis 14 Uhr die Betreuung und somit der eigene Arbeitsalltag in Teilen gesichert ist. Von den Stunden, die von den Betroffenen abends und am Wochenende – wenn überhaupt möglich – nachgeholt werden müssen, ist jedoch nie die Rede.
Insbesondere Mütter gleichen diese Missstände aus. Damit manifestieren sich Ungleichheiten im Erwerbsleben. Betroffene werden in ihrer beruflichen Entwicklung ausgebremst – sie stehen ständig unter Stress und sind Existenzängsten ausgesetzt, weil sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht zuverlässig nachkommen können oder ein Wiedereinstieg in den Beruf gar nicht erst erfolgen kann. Ohne Kitaplatz keinen Job, ohne Arbeitgeberbestätigung keine Chance auf einen Kitaplatz – ein Teufelskreis, in dem vor allem Mütter gefangen sind – so viel zu Ihrem schönen Wahlversprechen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Darüber hinaus ist es in manchen Kindertagesstätten in Bremen bereits Routine die Betreuungszeit beispielsweise von 16 Uhr auf 15 Uhr oder bei U3 Kindern generell auf 14 Uhr zu reduzieren, ohne die tatsächlichen Konsequenzen für Kinder, die ein soziales Umfeld in der Kita dringendst benötigen, oder für die berufstätigen und arbeitssuchenden Eltern, denen jegliche Chance auf Arbeitsroutine genommen wird, zu betrachten.
Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist diese Entwicklung besonders verheerend: Väter und Mütter betreuen ihre Kinder zuhause, weil die Kita früher schließt, ganz zu ist, Notdienst oder grundsätzlich gar nicht mehr bis 16 Uhr geöffnet hat. Diese Väter und Mütter fehlen dann in Krankenhäusern, Schulen, bei der Feuerwehr, bei der Straßenreinigung und in allen anderen Berufsfeldern!

Wir kennen seit langem Ihre klassischen Erklärungen, mit denen die derzeitigen Zustände entschuldigt werden: der Mangel an Erzieher*innen, die Haushaltslage, die unerwartete Dimension der Zuwanderung in den vergangenen Jahren, etc.
NICHTS davon hält einer näheren Betrachtung Stand, wenn man voraussetzt, dass Bildung und Erziehung der nachwachsenden Generationen unsere wichtigsten Ressourcen für die Zukunft unserer Gesellschaft sind.
(https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp20/stadt/protokoll/P20S0038.pdf)

WIR FORDERN:

  1. Nehmen Sie Geld in die Hand für eine allgemeine und ANGEMESSENE Ausbildungsvergütung!
    • BAföG ist vielleicht Übergangslösung, aber kann kein dauerhaftes Ziel sein
    • ausschließlich 50 PiA-Plätze (bei über 200 Bewerber*innen) und die berufsbegleitende Ausbildung zu finanzieren, reicht nicht aus
    • ALLE Ausbildungswege müssen vergütet werden

  2. VEREINFACHEN und verbessern Sie den Zugang zur Erzieher*innen-Ausbildung!

  3. Denken Sie endlich LANGFRISTIG und verbessern Sie den Betreuungsschlüssel in den Kitas!
    • der Ist-Zustand ist für Personal und Kinder nicht tragbar und hat nichts mehr mit Qualität zu tun (U3 – 1:9 / Ü3 – 1:20)
    • das Personal ist überlastet; nicht ohne Grund wechseln so viele Fachkräfte den Beruf
    • es muss der wissenschaftlich empfohlene Personalschlüssel von 1:3 im U3-Bereich und 1:7,5 im Ü3-Bereich politisch umgesetzt werden

  4. Realisieren Sie eine schnelle und UNKOMPLIZIERTE Rückerstattung der gezahlten Gebühren bei Ausfall, bzw. einen finanziellen Ausgleich!
    • wer trotz Rechtsanspruch keinen Platz bekommt, muss ohne Hürden und schnell einen finanziellen Ausgleich erhalten, um andere Bildungsangebote (Musik, Sport, etc.) oder private Betreuung (Babysitter) finanzieren zu können
    • bei ständigem Betreuungsausfall/ Notdiensten muss eine automatische Rückerstattung der Gebühren eingeführt werden

 

gez. Elterninitiative KITAstrophe Bremen
(Eltern von Kindern aus diversen Kitas verschiedener Träger in Bremen)

Gemeinsam stark für unsere Kinder